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9 Anregungen, um als Führungskraft Empathie aktiv und souverän einzusetzen

Was ist Empathie? Ich habe in der Arbeit mit Teams und Führungskräften schon einiges dazu gehört und erlebt. Ein paar Highlights:

  • „Empathie ist wie Scheitern.“
  • „Wertschätzung ist alles. Meine Mitarbeiter sollen sich gut fühlen. Feel Well!“
  • „Dieser erzwungene Empathiepuderzucker über mangelnde Leistung nervt.“
  • „Dieser alte weiße Mann sollte erst mal Empathie lernen. Wobei – das wird bei dem eh nichts mehr.“

Was ist das nun, dieses Ding – „Empathie“. Scheint wichtig zu sein. Manchmal. Manchmal scheint es aber auch zu stören.

Meine Sicht: Empathie ist etwas Faszinierendes, Komplexes. Etwas, was Führungskräfte souverän, aktiv und bewusst einsetzen können (aber nicht immer müssen) und was viel Potenzial für höhere Zufriedenheit, Qualität, Performance und Mitarbeiterbindung mitbringt. Wirklich „hochperformante“ Teams können nur mit Empathie als aktives Instrument der Führung aufgebaut werden.

Empathie in der Führung ist lernbar. Dafür im Folgenden zum Ausprobieren neun konkrete Anregungen und einige Gedanken zur Empathie an sich.

In der Empathie geht es um einen Gesamtblick auf das, was Menschen und Teams bewegt und antreibt, bei weitem nicht nur um Gefühle.

Gefühle sind nicht nur einfach so da. Sie haben immer einen oder mehrere Auslöser: sachliche Gründe (bspw. inhaltliche Präferenzen, fehlendes Wissen), harte Bedürfnisse (bspw. materielle Ängste) oder weichere Wünsche (bspw. Zugehörigkeit und Bestätigung). Gefühle können Ursprünge in der Vorgeschichte des Teams haben. Auslöser von Gefühlen können bewusst oder unbewusst sein, können artikuliert oder verschwiegen werden. Gefühle können einander verdecken – hinter einer Wut steckt beispielsweise oft Angst.

Als Führungskraft hilft dir Empathie, diese komplexen Zusammenhänge zu sehen und dadurch besser zu verstehen, wie du die Leistungsfähigkeit des Teams und der Mitarbeiter verändern kannst.

Meine erste Übung ist scheinbar recht simpel. Mache in Anregung 1, „Innehalten“ in spannungsgeladenen Situationen, in Konflikten eine gedankliche Pause. Drücke den „Stoppknopf“ und beobachte, wie schnell deine Gesprächspartner und du zu Schlussfolgerungen, Urteilen und Reaktionen kommen – oft begleitet von starken Gefühlen (Wut, Angst). Atme durch, beobachte, was gerade wirklich passiert und schlussfolgere, bewerte und handle erst nach dem Durchatmen.

Vielleicht wirst du feststellen, dass die Schwierigkeit hierbei ist, dass starke Gefühle deine Gesprächspartner und dich „überholen“ – du möchtest innehalten, aber deine Gefühle, deine Automatismen haben schon längst reagiert. Die scheinbar simple Anregung benötigt Ruhe, Gelassenheit – und dafür viel Übung.

Die zweite Übung setzt hierauf auf. In Anregung 2, der „Schlussfolgerungsleiter“ nutzt du das Innehalten, um bspw. die Konfliktsituation entlang einer einfachen Struktur genauer zu verstehen. Nimm also eine Beobachterrolle ein und durchlaufe folgende drei Schritte bewusst und nacheinander.

Schritt 1: Nimm dir Zeit, die Situation in allen Facetten zu beobachten, ohne dabei schon zu erklären oder zu bewerten
  • Was hörst du und beobachtest du bei anderen und bei dir?
  • Was passiert auf der nonverbalen Ebene (Körpersprache, Ton, Lautstärke)?
  • Welche Gefühle spürst du beim anderen? Bist du sicher, dass der andere diese Gefühle hat, oder sind es vielleicht deine eigenen Gefühle, die du projizierst?
  • Welche Gefühle spürst du bei dir? Sind das deine eigenen Gefühle oder nimmst du sie aus der Situation in dich auf (du introjizierst dann)?
  • Wo spürst du die Versuchung, direkt zu erklären oder zu bewerten? Warum?
Schritt 2: Nimm dir Zeit, die Situation zu erklären, ohne sie bereits zu bewerten
  • Was sind die Auslöser, die Hintergründe der Wünsche, Gefühle, Aussagen?
    Bist du sicher, dass deine Erklärung korrekt ist?
  • Formuliere in Gedanken probehalber zwei andere mögliche Erklärungen
  • Frage bei den Beteiligten nach, welche Erklärung nun die ‚richtige‘ ist
Du wirst feststellen: viele der interessanten Situationen lösen sich, wenn den Beteiligten bewusst wird, dass sie einfach jeweils von unterschiedlichen, unausgesprochenen Erklärungen ausgingen
Schritt 3: Nimm dir Zeit, Bewertungen der Situation zu verstehen, und zwar erst nach Beobachtung und Formulierung von möglichen Erklärungen:
  • Warum bewertest du sie so?
  • Was ist der Hintergrund des Werteschemas?
  • Wie bewerten die anderen Beteiligten die Situation? Warum?
  • Frage bei Bedarf nach.
Auch hier wirst du feststellen, dass sich Situationen lösen, wenn den Beteiligten bewusst wird, dass das eigentliche Thema des Konflikts unterschiedliche Werteschemata sind und wenn diese Unterschiede bearbeitet werden.

Probiere das Innehalten und diese drei Schritte aus. Reflektiere dann darüber, welche neuen Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten du durch das Innehalten gewonnen hast. Zwei einfache Werkzeuge zu mehr Empathie, mit Fokus und einer einfachen Struktur: Innehalten – und: Beobachten, Erklären, Bewerten!

Eine gute Führungskraft entscheidet aktiv und bewusst, wann sie wie viel Empathie einsetzt.

Als Führungskraft hast du Ziele (Performance, Qualität, Profitabilität etc.). Du nutzt Empathie und gibst deinen Mitarbeitern Raum. Du arbeitest aber auch für das Unternehmen und möchtest sicherstellen, dass die festgelegten Ziele erreicht werden. Das Team benötigt Zielsetzungen, einen festgelegten Rahmen und ein Spielfeld.

Dazu zwei weitere Anregungen zum Thema Empathie:

Anregung 3: Setze Empathie bewusst, aktiv und situationsspezifisch ein

Mache dir bewusst, was du als Führungskraft erreichen und wie du inhaltlich und auf Beziehungsebene dein Team, deine Mitarbeiter und dich weiterentwickeln willst. Entscheide situationsspezifisch aktiv und souverän, wann du wie viel Empathie einsetzen möchtest:

  • Was ist der gesetzte Rahmen, der Fokus, die Aufgabe?
  • Wo wünschst du Veränderungen? Wo sind Veränderungen von außen gegeben (Projekte, Transformationen, Reorganisationen, neue Mitarbeiter oder Führungskräfte)?
  • In welchen Bereichen möchtest du einen klaren Rahmen, klare Grenzen vorgeben?
  • Was sind die Themen auf Beziehungsebene, die zu bearbeiten sind? (Vertrauen, konstruktiver Umgang mit Konflikten, Lösungsorientierung, Motivation, Commitment etc.)

Exkurs: manche Mitarbeiter nutzen empathische Führungskräfte, um sich eine Bühne zu schaffen – sie nehmen sich Raum – und rauben dir deine Zeit. Oder Mitarbeiter mit narzisstischen Anteilen nutzen das Empathieargument, um gegen dich oder andere zu intrigieren. Erkenne solche Situationen und unterbinde Manipulation bewusst.

Anregung 4: Schuster, bleibe bei deinen Leisten!

Wenn du dich empathisch öffnest (Innehalten, Schlussfolgerungsleiter) wirst du feststellen, dass starke Gefühle oft mit Glaubenssätzen und dysfunktionalen Verhaltensmustern deiner Mitarbeiter (ggf. auch von dir) zusammenhängen. Jeder von uns trägt seine Rucksäcke.

Konzentriere dich als Führungskraft auf deine Aufgaben, Themen und Ziele. Gib den Glaubenssätzen, inneren unbewussten Antreibern und dysfunktionalen Verhaltensmustern im Gespräch mit dem Mitarbeiter Raum. Versuche, Glaubenssätze und Verhaltensmuster deiner Mitarbeiter nicht kleinzureden und wegzuschieben – das funktioniert nie. Gib Raum.

Versuche aber auch selbst nicht, die Rucksäcke deiner Mitarbeiter zu bearbeiten – du bist nicht ihr Therapeut. Du hast nicht die Zeit dafür und eine andere Rolle. Bei Bedarf kann das Unternehmen oder der betroffene Mitarbeiter sich spezialisierte Hilfe holen (Therapeut, Training, Coaching).

Konflikte haben einen Nutzen. Empathie ist ein Mittel, die Zusammenhänge hinter Konflikten zu beleuchten, nicht sie „wegzuzaubern“.

Hinter dem recht verbreiteten falschen Glaubenssatz („Konflikt ist schlecht. Empathie muss Konflikte wegzaubern.“) steht die Meinung, Konflikte seien schlecht und nur wenn es zwischen Führungskraft und Team sowie im Team harmonisch, immer lieb und nett zugeht, dann sei die Führungskraft und das Team ‚gut‘.

Konflikte sind weder gut noch schlecht. Konflikte haben eine essenzielle Funktion: sie verändern Teams und Organisationen, sie lösen altes, nicht mehr zeitgemäßes und ersetzen es durch etwas Neues. Manche Konflikte willst du als Führungskraft bewusst auslösen oder intensivieren!

Meine Anregungen:

Anregung 5: Verstehe den Konflikt.

Nutze das Innehalten und die Schlussfolgerungsleiter (Anregung 1 und 2), um den Konflikt besser zu verstehen. Ein paar mögliche Fragen, die du dir zusätzlich stellen kannst:

  • Worum geht es? Und worum geht es wirklich?
  • Und was ist dahinter?
  • Wie agieren die Beteiligten? Sind Ziele jeweils gesetzt oder offen?
  • Wird der Konflikt explorativ ausgetragen oder eher absolut, oft aus starken Bewertungen heraus?
  • Ist die Kommunikation nur sendend, oder gibt es Kommunikation in zwei Richtungen?
  • Wird spezifisch gestritten, oder eher generalisierend?

Anregung 6: Entscheide souverän, wie du mit dem Konflikt umgehst.

  • Vielleicht willst du den Konflikt auf einer inhaltlich-lösungsorientierten Ebene sogar noch intensiveren, um die unterschiedlichen Erfahrungen im Team zu nutzen, um die beste Lösung zu finden?
  • Und dann willst du vielleicht ergänzend auf der Beziehungsebene dysfunktionale, toxische Parallelprozesse und verdeckte Themen identifizieren und auflösen?
  • Und dafür deine empathischen Fähigkeiten einsetzen?

Exkurs: viel systematischer als hier im Newsletter möglich hat Klaus Eidenschink das Thema Konflikt in seinem fantastischen Büchlein „Die Kunst des Konflikts“ aufgearbeitet.

Für hier und heute unter der Überschrift „Empathie“ reicht als Merker: Konflikt hat einen Zweck. Betrachte als Führungskraft die „Konfliktanatomie“ und entscheide dann souverän, wie du mit dem Konflikt umgehen möchtest.

Empathie fängt mit Empathie für dich als Führungskraft an.

Externe Situationen spiegeln sich in unserer eigenen Gefühls-, Gedanken- und Verhaltenswelt wider. Oder wir spiegeln unsere eigene innere Welt nach außen („Projektion“). Wir schwingen mit und lassen andere mitschwingen. Dies ist ganz natürlich, normal – und die Basis echter Empathie.

Als Führungskraft kannst und darfst nicht ausblenden, was an Gefühlen in dir selbst entsteht, welche Verhaltensmuster und Prozesse ablaufen, wie du mitschwingst. Erst wenn du dich selbst empathisch verstehst, findest du die Ruhe, souverän und aktiv Empathie für deine Mitarbeiter und Teams einzusetzen.

Daher die drei letzten Anregungen:

Anregung 7: Erlaube dir, dich selbst zu beobachten. Als Führungskraft bist du immer Teil des Systems, des Teams, der Situationen und meist Teil der Konflikte. Welche Emotionen entstehen dadurch in dir, wann? Warum? Was ist der Hintergrund? Welche Bedürfnisse oder Prägungen liegen vielleicht dahinter?

Anregung 8: Handle souverän, auch wenn du in gewissen Situationen emotional positiv oder negativ mitschwingst. Erkenne, wenn du vielleicht zu oft, zu schnell oder zu früh Externes auf dich beziehst. Wenn Glaubenssätze wie „der hält mich für schlecht!“, „der ist gegen mich!“, „der schätzt mich nicht“ in dir arbeiten. Ziehe klarer eine Grenze zwischen deinen Gefühlen und der Situation und entgehe so der „Ich-Falle“ resp. „Introjektionsfalle“.

Anregung 9: Sei dir auch bewusst, in welchen Situationen emotionale Prozesse in dir nach außen schwappen. Kenne deine Gefühle, Ängste, Wut, ihre Hintergründe und welche Energie die ggf. Glaubenssätze dir geben. Beobachte und verstehe, wie du diese inneren Muster nach außen spiegelst.

Probiere diese Anregungen gerne im Führungsalltag aus. Vielleicht öffnen sich Türen zu souveränem, ruhigem Führungshandeln und mehr Erfolg und Zufriedenheit.

Viel Spaß wünsche ich dabei, aktiv Empathie einzusetzen!


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Die nächsten, bereits geplanten Inhalte im Jahr 2025 sind:

▶️ Im Mai das Thema „Empathie – wirksames Führungsinstrument oder Psycho-Puderzucker über unzureichende Performance?“

▶️ Im Juni dann ein neues Instrument der Führungskräfteentwicklung unter dem Titel: „Eine vollständige Themenlandkarte für Persönlichkeitsentwicklung, Führungskräfteentwicklung und Teamentwicklung“

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