Denkanstöße und Aktuelles

Wunderwaffe Persönlichkeitstest?

Viele Unternehmen setzen Persönlichkeitstests ein, mit unterschiedlichen Zielsetzungen:

  • Persönlichkeitstests in der Mitarbeiter- und Führungskräfteentwicklung, um den Mitarbeitern ein leicht verständliches, einfaches Modell zur Hand zu geben, um sich selbst zu reflektieren und zu verstehen, wo und wie sie sich entwickeln können.
  • Persönlichkeitstest im Recruiting und in Beförderungsprozessen, um zu prüfen, ob der Kandidat / Mitarbeiter zur jeweiligen Rolle “passt”.
  • Persönlichkeitstest in Teams, um zu sehen, ob die “Mischung der Persönlichkeiten” ausreichend divers ist, oder ob sich “Monokulturen” an Persönlichkeiten bilden

Typische, gern eingesetzte Persönlichkeitstests sind bspw.:

  • Das DISG-Modell, das Menschen einsortiert in vier Farben: Rot (Dominant), Gelb (Initiativ), Grün (Stetig) und Blau (Gewissenhaft). Dabei können durchaus mehrere Farben dominant sein. Meine Erfahrung allerdings: Coachees kommen mit einer Meinung zu uns: “Ich bin gelb, daher …” oder “Ich bin halt rot, ist halt so …”
  • Etwas differenzierter, auch gern genutzt: Der Myers-Briggs-Typenindikator, der 4 Dimensionen (introvertiert/extrovertiert, intuitiv/sensorisch, denkend/fühlend sowie wahrnehmend/urteilend) zu insgesamt 16 Persönlichkeitstypen kombiniert. Diese werden dann noch recht eingängig benannt (bspw. “Konsul”, “Abenteurer” etc.)

Interessanterweise waren diese Modelle vor 20, 30 Jahren für Wissenschaftler, für Psychologen interessant. Bis diese festgestellt haben, dass aus wissenschaftlicher Perspektive diese Tests nicht belastbar und aussagekräftig sind.

Warum? Und warum sehen wir diese Modelle auch aus der Perspektive des Coaches kritisch?

  1. Die genannten Modelle vereinfachen den Menschen in zu wenige Dimensionen (jeweils 4). Diese Vereinfachung ist i.R. von Personalentwicklungsmaßnahmen schön erklärbar. Entspricht aber in keinster Art und Weise der Vielschichtigkeit des Menschen. Von uns genutzte alternative Modelle nutzen wesentlich mehr Dimensionen (bspw. der Big Five-Test).
  2. Mitarbeiter und Führungskraft sehen sich oft als dominant in einer Dimension, beispielsweise in der roten “Alpha”-Dimension. Tatsächlich haben wir Menschen aber unterschiedliche “Ichs” in uns, die manchmal – aber nicht immer – im inneren Dialog sind und die zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Situationen aktiv werden. Manchmal sind aus frühen Erfahrungen heraus relevante “Ich-Anteile” verdrängt, unterdrückt. Wir finden, dass Reichtum in der Persönlichkeitsentwicklung, im Selbst-Verstehen, in der Achtsamkeit erst dann entsteht, wenn wir diese unterschiedlichen “Ichs” sehen, zulassen und in einen inneren Dialog kommen.
  3. Die Modelle suggerieren, dass Menschen “so und so” sind. Wir glauben stattdessen, dass Menschen sich situationsspezifisch verhalten. Oft ist das Verhalten unbewusst, manchmal ungewünscht. Und wir wissen, dass die Einsortierung des “Ichs” in eine Schublade eine Veränderung des Verhaltens erschwert. Ja, tatsächlich wird die Schublade oft unbewusst als Rechtfertigung genutzt, warum eine Verhaltensänderung nicht möglich ist.

Eine schöne Zusammenfassung der Psychologin und Wissenschaftsjournalistin Corinna Hartmann findet sich im Spektrum Psychologie 01.25: https://www.spektrum.de/news/persoenlichkeit-was-misst-der-myers-briggs-typenindikator/2229304. Sie schreibt:

Doch es irrt, wer heute noch am Myers-Briggs-Test festhält und mehr davon erwartet als seichte Unterhaltung
Corinna Hartmann
Psychologin und Wissenschaftsjournalistin


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Die nächsten, bereits geplanten Inhalte im Jahr 2025 sind:

▶️ Im Mai das Thema „Empathie – wirksames Führungsinstrument oder Psycho-Puderzucker über unzureichende Performance?“

▶️ Im Juni dann ein neues Instrument der Führungskräfteentwicklung unter dem Titel: „Eine vollständige Themenlandkarte für Persönlichkeitsentwicklung, Führungskräfteentwicklung und Teamentwicklung“

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